Baudokumentation: Der Weg zum Gotthelf Zentrum Emmental Lützelflüh
Erfolgreicher Umbau – trotz Hindernissen
Der Umbau des Pfarrhauses Lützelflüh zum Gotthelf Zentrum ist ein eigentlicher Steigerungslauf: Von den ersten Ideen nach den Jubiläumsjahren 1997 und 2004 und dem zustimmenden Beschluss des Berner Regierungsrates für ein Gotthelf Zentrum 2005 bis zum Spatenstich im Januar 2012 dauert es sieben Jahre – realisiert wird der Um- und Neubau dann in knapp sieben Monaten, nicht ohne Hindernisse!
1997 – zum 200. Geburtstag Gotthelfs – und 2004 – anlässlich seines 150. Todesjahres – finden vorab in Lützelflüh umfangreiche Gedenkanlässe statt. Daraus entstehen die Idee und der Wunsch, das Pfarrhaus Lützelflüh in ein eigentliches Gotthelf Zentrum umzugestalten – und gleichzeitig das Gesamtwerk Gotthelfs in einer überarbeiteten, kritischen Edition endlich wieder neu herauszugeben.
Konkreter Startschuss zum Projekt ist der Regierungsratsbeschluss vom 9. September 2005: Er bewilligt 6.6 Mio. Franken für das Editionsprojekt und 3 Mio. Franken für das Gotthelf Zentrum – und verlangt die Gründung einer Jeremias Gotthelf Stiftung.
Nach einer langen und intensiven Projektierungsphase und dem notwendigen Gang durch die Institutionen trifft am 23. Dezember 2011 die Baubewilligung durch den Regierungsstatthalter ein!
7 Monate Bauzeit
Am 13. Januar 2012 findet der «Spatenstich» statt – allerdings ist es eher ein «Hammerschlag»: Die Vertreter der Trägerschaft setzen unter den Augen von Projektleiter Heinrich Schütz den Meissel an den Anbau de Pfarrhauses an, der als Erstes abgebrochen wird, um dem neuen Anbau Platz zu machen.
Ein sichtlich stolzer Projektleiter Heinrich Schütz und die Vertreter der Trägerschaft: Hansueli Salzmann, Einwohnergemeinde Lützelflüh, Christian Spelbrink, Kirchgemeinde Lützelflüh, Verena Hofer, Verein Gotthelfstube, Christoph Pappa, Präsident des Stiftungsrates.
Der eigentliche Baubeginn ist am 16. Januar 2012. Bereits einen Monat später unterbricht der enorme Kälte-Einbruch mit Temperaturen bis -20° C die kaum angefangenen Bauarbeiten um gute zwei Wochen. Parallel zu den Erdarbeiten erledigt der Archäologische Dienst kleinere Ausgrabungen, die zum Glück nicht zu weiteren Verzögerungen führen.
Der Keller im Rohbau: Bemerkenswert ist die rechts sichtbare Bruchstein-Mauer des bestehenden Pfarrhauses. Das Pfarrhaus, versteckt hinter einem gewaltigen Gerüst: Der Dachstuhl aus dem Baujahr 1655 muss zwar neu gerichtet werden, die originalen Balken sind jedoch von ausserordentlicher Qualität.
Sensationelle Grisaille-Malereien im Korridor des Parterres
Dann geht es zügig vorwärts, bis im April die Gipser unter dem Verputz im Korridor des Erdgeschosses auf vergessene Grisaille-Malereien stossen! Erneuter Unterbruch: Der eilends herbei gerufene Denkmalpfleger verlangt zu Recht, dass der Verputz im ganzen Korridor sorgfältig und vorsichtig entfernt und die Grisaille-Malereien nach neuesten Erkenntnissen restauriert und gesichert werden müssen.
Die Malereien stammen aus dem Jahr 1686 und wurden von Hans Conrad Heinrich Friedrich erstellt, der zu jener Zeit auch andere Kirchen und Schlösser verzierte, zum Beispiel die Kirchen von Bätterkinden, Roggwil und Gampelen sowie die Schlösser Landshut und Wangen a.A. Die fachgerechte Rettung der Grisaille-Malereien blockieren die Arbeiten im Pfarrhaus erneut, und zwar für runde drei Wochen.
Dankmal-Pfleger Michael Gerber sagt dazu: «Die Malereien von 1686 waren wohl über 200 Jahre vergessen gewesen. Die Ausmalung des Pfarrhauses war zwar aus Schriftquellen bekannt. Dass sie aber noch vorhanden sind, kommt einer kleinen Sensation gleich. Die Restaurierung von 2012 beschränkte sich bewusst auf die zurückhaltende Ergänzung von zerstörten Stellen innerhalb der Ornamente, so dass die Grisaillefassung wieder als Gesamtwerk lesbar ist. Originale Farben wurden an keiner Stelle überstrichen und die einzelnen Ornamente wurden auch nicht vervollständigt. So sehen wir heute die Grisaille-Malereien mit dem originalen Pinselstrich des Malers Hans Conrad Heinrich Friedrich, so wie er ihn 1686 mit sicherer Hand geführt hat.»
Sensationelle Entdeckung: Die Grisaille-Malereien von 1686 – so wie sie zum Vorschein kommen und nach den Restaurations-Arbeiten. Frühere Gipser hatten die Wände mit Hammerschlägen traktiert, um neuen Gipsverputzen eine bessere Haftung zu verschaffen. Entsprechend zerstört waren die ursprünglichen Malereien. Spätere Generationen zerstörten die Malereien weiter – zum Beispiel beim Einlegen von Strom- und Heizungsleitungen.
Albert Bitzius sieht übrigens die Grisaille-Malereien nicht mehr, sie sind damals längst aus der Mode gekommen und übermalt oder mit Täfer überdeckt worden.
Aus dem Estrich wird der vielseitige nutzbare Gotthelf Saal
Bewunderung durch die heutigen Handwerker löst der Dachstuhl aus: Er stammt aus dem Baujahr 1655 und ist noch heute vollständig intakt – die First muss einzig etwas gerichtet werden, da sie eine schwache S-Linie bildet. Aber sämtliche Balken sind in gutem Zustand, ohne Fäulnis oder Wurmbefall: Da wurde vor über 350 Jahren hervorragende Arbeit geleistet.
Der vielseitig einsetzbare Gotthelf Saal im Obergeschoss bietet Platz für gegen 60 Personen.
Hinter den alten Wänden versteckt sich ein kleines Office und Stauraum für das Mobiliar.
Eingebaut werden jedoch eine Isolation sowie ein neuer Boden, damit der Raum ganzjährig als Saal benutzt werden kann und den erhöhten Belastungen standhält. Von den ursprünglichen «Kammern», die sich im Estrich befanden, zeugt eine noch vorhandene Wand: Dahinter versteckt sich ein kleines Office für das Catering.
Welche Farbe hatte das Täferwerk?
Eine weitere grosse Herausforderung bildet die Restaurierung der Holztäfelungen, die später über die gemauerten Wände angebracht werden.
Untersuchen zeigen, dass das Täferwerk im Lauf der Zeit mehrmals überstrichen wird. Heute, nach der Restaurierung, präsentiert es sich wieder in einem Grauton: Er ist historisch belegt und kann der Zeit von Albert Bitzius zugeordnet werden.
Das Täferwerk bekommt seine graue Farbe, so wie die Wände zu Zeiten der Familie Bitzius ausgesehen haben mögen.
Feierliche Eröffnung am 11. August 2012
Über 30, meist regionale Unternehmen sind am Bau beteiligt. Innerhalb einer effektiven Bauzeit von nur 136 Arbeitstagen tragen sie engagiert, motiviert und mit Fachwissen dazu bei, dass der enge Zeitplan eingehalten und das Zentrum termingerecht eröffnet werden kann.
Allerdings zwingen die verschiedenen Verzögerungen die Verantwortlichen, den ursprünglich vorgesehen Eröffnungstermin um sechs Wochen in den August zu verschieben. Am Freitag, 10. August 2012, wird das neue Zentrum mit einem Festakt in der Kirche Lützelflüh feierlich eröffnet. Und an zwei Tagen der offenen Tür kann sich anschliessend die Dorfbevölkerung und eine weitere Öffentlichkeit das Gotthelf Zentrum Emmental Lützelflüh erstmals besuchen und sich einen persönlichen Eindruck verschaffen.
Damit geht eine lange Planungs-, Vorbereitungs- und Bauzeit glücklich zu Ende: Jeremias Gotthelf ist wieder daheim!
Das Raumprogramm in der Übersicht
Pfarrhaus. Im Erdgeschoss befindet sich das Museum. Die bestehenden Räume im Obergeschoss sind mit dem Einbau einer Küche und der Renovation des Bades zu einer eigenständigen 4-Zimmerwohnung umgestaltet.
Das Dachgeschoss, erschlossen durch Treppe und Lift, ist zum Gotthelf Saal und mit dem Einbau eines Office zu einem vielseitig nutzbaren Raum geworden.
Anbau. Im Untergeschoss sind die Neben- und Infrastrukturräume des Museums untergebracht: Liftmotor, Archiv, Technik- und Lagerraum.
Das Erdgeschoss beherbergt die öffentlichen Bereiche des Museums: Bistro Bitzius, Lift, Garderoben und WC-Anlagen bilden die wesentlichen Teile der Raumstruktur.
Das offene Obergeschoss dient als Verwaltungsbereich, dem kleinere Nebenräume angegliedert sind.
Autor: Werner Eichenberger; Quellen: Reto Gsell, «Bericht des Architekten», Michael Gerber, «Bauhistorische Angaben zum Pfarrhaus Lützelflüh» präsentiert anlässlich der Medienkonferenz zur Eröffnung des GZEL; eigene Beobachtungen des Autors während der Bauphase.